Was bedeutet das Menschsein?

Ein offener Brief

Ich habe alle Möglichkeiten, ich bin gesund, ich kann denken, ich habe eine Meinung, ich habe mehr Zeit, Geld, Sicherheit und Wahlmöglichkeiten als viele andere Millionen Menschen auf der Welt. Was ist das für ein unglaubliches Geschenk? Trotzdem fühle ich an manchen Tagen diese Leere und wünsche mir mehr Raum für Antworten, was das Menschsein eigentlich bedeutet und was uns (wirklich) glücklich macht.

Diese Welt der Möglichkeiten ist faszinierend für jemanden wie mich, dessen unbändiger Geist und Neugier keine Grenzen kennen. Schon als ich noch klein war, haben mich die einfachsten Dinge begeistert: Knisterndes Geschenkpapier, bunte Farben, Seifenblasen, oder ein Blumenfeld. Die Welt ist so unheimlich groß. Und es gibt so vieles zu entdecken.

Ich habe alle Möglichkeiten, ich bin gesund, ich kann denken, ich habe eine Meinung, ich habe mehr Zeit, Geld, Sicherheit und Wahlmöglichkeiten als viele andere Millionen Menschen auf der Welt. Was ist das für ein unglaubliches Geschenk? Das gleicht einer Fülle, für die ich mehr als dankbar sein könnte. Doch stattdessen scrolle ich auf Facebook und in anderen sozialen Medien rum.

Das an sich wäre noch kein Problem, ich bin damit ja auch nicht allein, wir alle sind so, wir alle sind so geworden. Ein paar Minuten am Tag, was ist das schon? Was ändert das schon? Was macht das für einen Unterschied, ob wir jetzt ein bisschen am PC rumhängen oder am Smartphone? Ist doch sowieso alles digitalisiert. Als freie Kreative verdiene ich mein Geld mit digitalen Medien. Umso wichtiger, dass ich mich auseinandersetze, mit dem digitalen Leben.

Aber es sind nicht mehr ein paar Minuten, während der Arbeit, kurz mal nebenbei. Aus ein paar Minuten sind Stunden geworden, aus ein paar Randzeiten eine Dauerschleife ohne Pause, aus ab und zu mal WLAN ein endloser, 24-Stunden-Strom an Verfügbarkeit, aus der ich mich nicht mehr verabschiede. Aus meinem Leben mit ein bisschen Onlinesein ist ein Onlineleben geworden.

Ich wache morgens auf und lasse mich in eine Welt saugen, die auf den ersten Blick so unendlich vieles bereithält, am Ende des Tages aber nur vollkommene Leere hinterlässt: Ich finde mich weniger zurecht, in meinem Leben, vergleiche mich ständig, kann nicht mehr wirklich abschalten und habe Angst, nicht genug zu sein. Ich bin rastlos, verliere immer öfter den inneren Halt. Alles fühlt sich irgendwie weniger bunt an und in jeder freien Minute, die jetzt noch bleibt, in diesem gehetzten Leben, starre ich weiter mit glanzlosem Blick in mein Smartphone und frage mich: Ist das die Welt, in der ich leben will? Oder habe ich etwa mein Leben an dich verschwendet, Internet?

Keine Ahnung, ob ich noch zurückkann. Vielleicht will ich einfach mal endlich wieder vorwärts. Ich will ein Leben nach dem Internet. Ich will mehr Ausgleich, Zeiten, in denen ich nur in einer Welt lebe. In meiner Welt. Ich möchte in den Sternenhimmel schauen, Blätter sammeln, mit den Händen arbeiten. Ich möchte mich mit Freunden in Cafés zum Schreiben treffen. Ich möchte Samstag Abende damit verbringen, Wände zu bemalen, Geschichten zu erzählen und Scharaden zu spielen. Ich will Momente, die nicht digitalisiert werden, und Zeiten, in denen auch mal nichts passiert. Ich will Stunden zusammen, wo man sich im Moment der Gemeinschaft verliert. Ich will den Boden unter meinen Füßen spüren.

Ich will mehr Raum für Antworten, was Menschsein eigentlich bedeutet und was (wirklich) glücklich macht. Eine echte Auseinandersetzung.

Alles Liebe,

Lisa

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